Kathrin Binder,
"Die Freizügigkeit der Urteile und der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens im Europäischen Zivilverfahrensrecht im Spannungsverhältnis zu Art 6 EMRK/Art 47 GRC"
, 2010
Original Titel:
Die Freizügigkeit der Urteile und der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens im Europäischen Zivilverfahrensrecht im Spannungsverhältnis zu Art 6 EMRK/Art 47 GRC
Sprache des Titels:
Deutsch
Original Kurzfassung:
Die vorliegende Arbeit befasst sich zum einen mit der Frage, wie sich die Freizügigkeit der Urteile und der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens in das System des Unionsrechts im Allgemeinen und in das (Sub-)System des Europäischen Zivilverfahrensrechts im Besonderen dogmatisch einordnen lassen und zum anderen in welchem Verhältnis sie zueinander sowie zum unionsrechtlichem System zum Schutz der Grundrechte stehen.
Dabei wird herausgearbeitet, dass hinter der Freizügigkeit der Urteile weniger eine weitere Grundfreiheit iSd Binnenmarktkonzepts der EU steckt, sondern vielmehr ein Allgemeiner Rechtsgrundsatz in Gestalt des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung (Herkunftslandprinzip). Dieser steht in engem Zusammenhang mit dem gegenseitigen Vertrauen der MS in die Justizsysteme und Rechtspflegeorgane der jeweils anderen MS, auf das sich der EuGH seit seinem Urteil in der Rs Gasser (C-116/02) regelmäßig beruft. Eine ausf Analyse der Rsp des EuGH führt zu dem Ergebnis, dass es sich auch dabei um einen Allgemeinen Rechtsgrundsatz handelt. Der erst kürzlich in Kraft getretene VvL leistet für diese Annahme weiteren Vorschub.
Nach einer Darstellung des unionsrechtlichen Systems zum Schutz der Grundrechte wird untersucht, inwieweit die im Primärrecht der EU verankerten Grundrechte und Allgemeinen Rechtsgrundsätze auf das Sekundärrecht des Europäischen Zivilverfahrensrechts einwirken. Als normativ gleichrangige Prinzipien stellt sich im Kollisionsfall daher die Frage, nach welcher Methodik das Spannungsverhältnis aufzulösen ist. Dabei wird einerseits das Regel-/Prinzipienmodell von Alexy aufgegriffen und andererseits um Aspekte beweglichen Systemdenkens erweitert, um ein Konzept zu entwickeln, das nachhaltig die Koheränz des Systems sichert.
Sprache der Kurzfassung:
Deutsch
Englische Kurzfassung:
This thesis addresses the issue of how free movement of judgements and the principle of mutual trust can be dogmatically pigeonholed into the system of European Union law in general, and into the (sub)-system of European civil procedural law in particular. It also addresses their interrelationship, as well as their relationship with the European Union’s system governing the protection of fundamental rights.
This demonstrates that the free movement of judgements is based less on a further basic freedom in terms of the EU Single Market concept, and more on a General Principle of Law in the form of the principle of mutual recognition (country-of-origin principle). This is closely linked to the member state’s mutual trust in the justice system and judicature organisations of the other member state regularly invoked by the European Court of Justice since its judgement in the Gasser case (C-116/02). A detailed analysis of the constant practices of the European Court of Justice shows that this too involves a General Principle of Law. The Lisbon Treaty, which has just recently taken effect, further backs this assumption.
After examining the European Union’s system governing the protection of fundamental rights, the thesis will analyse the extent to which the fundamental rights and general principles of law based on the EU’s primary legislation can impact on the secondary legislation of European civil procedural law. In the event of a conflict, the question as to how the conflict of relations is to be resolved is thus raised as principles of equal normative importance. In doing so, Alexy’s rule/principles model is applied on the one hand, and expanded with aspects of flexible systematic thinking on the other in order to develop a concept which consistently ensures the system’s coherence.