Strategien der Natur? Narrative des Erotischen in biologischen Theorien des kolonialen Europas
Sprache des Vortragstitels:
Deutsch
Original Kurzfassung:
Naturwissenschaften können als Erzählungen über die Natur und Bedeutung sozialer Beziehungen
verstanden werden (vgl. Haraway). Die Affinitätstheorien in der Chemie des 18. Jahrhunderts erwiesen
sich als ein Ort, an dem die Anziehungskräfte zwischen Körpern als Affinität und Zuneigung diskutiert
wurden, deren Resultat und Dauer als letztendlich nicht berechenbar galt. In späteren Ansätzen,insbesondere in Charles Darwins Evolutionstheorie,
vollzog sich erotische Anziehung nach natürlichen
Mechanismen der Selektion, die in Begriffen vo
n Naturgesetzen beschrieben und vorausberechnet
werden konnten. Das Erotische wurde zum Steuer
ungsmechanismus der Entwicklung von Populationen.
Diese Versuche, erotisches Begehren und Vergnügen, erotische Beziehungen und Praktiken zu klären,
geschah oft mit einer Zuschreibung von Intentionalität an ?die Natur?, als Strategie der Natur.
In dieser Weise lieferten im Laufe des 19. Jahrhund
erts die Erzählungen der Natur Argumente, die dazu
genutzt werden konnten, legitime erotische Verhältnisse von illegitimen Verhältnissen zu unterscheiden
und natürliche von unnatürlichen. Darüber hinaus wurden manche erotische Praktiken mit dem
Argument legitimiert, dass sie hinsichtlich der Entstehung neuen Lebens oder der Reproduktion der Art
einen übergeordneten Zweck erfüllten. Andere, insbesondere Masturbation und gleichgeschlechtliche
Beziehungen, wurden dagegen als problematisch betrachtet. So positionierten sich
naturwissenschaftliche Deutungen des Erotischen zwischen dysfunktionaler Lusterfüllung und
Fortpflanzungsmechanismus im rassistischen
Bevölkerungsdiskurs des kolonialen Europas.
Doch scheint sich das Erotische als vielleicht faszinierendster Aspekt des Lebens der wissenschaftlichen
Transparenz hartnäckig zu entziehen.