KUCHLBÖHMISCH. Zur Geschichte eines Phänomens
Um 1900 oder 1910 lebten in Wien mehrere hunderttausend Menschen, die
aus Böhmen und Mähren stammten und deren Sprach-
kenntnisse unterschiedlich waren: ?Kuchlböhmisch? oder ??behmisch? ist
eine Mischsprache, viele Worte, aber auch Satzkonstruktionen wurden von der
einen in die jeweils andere Sprache übernommen. Im Österreichischen Wörterbuch
hieß es dazu: ?Gebrochenes Deutsch mit tschechischer Satzstellung und
tschechischen Wortendungen (wenn geschrieben, dann mit tschechischen
Konsonanten)?. Sie wurde oft in Familien gesprochen, in denen Kinder auf der
Straße und in der Schule Deutsch sprachen, die Eltern aber vorwiegend
Tschechisch. In Wien hat man es bis in die 1950er und 1960er Jahre hinein
gehört. Es verschwand in der Folge zusehends, als sich auch das soziale Umfeld,
in dem die Mischsprache entstanden war und die damit verbundenen
transkulturellen Phänomene, aufzulösen begann. ?Kuchlböhmisch? wurde in Wien,
in einigen niederösterreichischen Orten und auch in Brünn/Brno gesprochen, in
erster Linie als Mischsprache innerhalb der Unterschichten. Es taucht aber auch - bis 1938 -
in jüdischen Milieus auf, die oft einen spielerischen Umgang damit verbanden.